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Landgericht Mühlhausen, Urteil vom 06.02.2024, 3 O 459/19

Gegenstand der Entscheidung:

Mit Urteil vom 06.02.2024 (3 O 459/19) hat das LG Mühlhausen (Thüringen) in einem von RA David Stader geführten Verfahren die Vollstreckungsabwehrklage der VR Bank Westthüringen wegen eines zuvor von uns erstrittenen Urteils abgewiesen.

Landgericht Mühlhausen, Urteil vom 06.02.2024, 3 O 459/19

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit


VR Bank Westthüringen eG, vertreten durch d. Vorstand, Obermarkt 17, 99974 Mühlhausen
Prozessbevollmächtigte:

- Klägerin -

gegen


- Beklagte -


Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Stader, Oskar-Jäger-Straße 170, 50825 Köln, G:z. 089-19/DS

wegen Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung

hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Mühlhausen durch

den Vorsitzenden Richter am Landgericht
den Richter am Landgericht
und die Richterin


am 06.02.2024 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2024 für Recht erkannt:


1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand


Die Parteien streiten über die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem Urteil und einem Kostenfestsetzungsbeschluss.

Im Jahr 2016 schlossen die Parteien unter Einbeziehung der allgemeinen Bestimmungen für Kredite und Darlehen sowie der allgemeinen Bestimmungen für Investitionskredite der Klägerin (vgl. AGB als Anlagenkonvolut K13, B.l 187 f. d.A.) den Darlehensvertrag Nr. zur Finanzierung der Sanierung eines Gebäudes der Beklagten in Erfurt (vgl. B.l 255 d.A.; Anlage K1, B.I 7 d.A.). Die Beklagte unterwarf sich zur Besicherung des Darlehens der Zwangsvollstreckung in die nachfolgend erwähnten notariellen Urkunden (vgl. Anlage K1, Bl. 7d.A.).

Während der Ausführung des Bauvorhabens kam es zu diversen Planungsänderungen. Die Klägerin verlangte von der Beklagten verschiedene Unterlagen und Auskünfte, welche der Klägerin größtenteils nach und nach bereitgestellt wurden (vgl. Anlage K1, Bl. 8d.A.). Mti den Schriftsätzen vom 02.10.2017 (vgl. Anlage K18, Anlagenband), 18.10.2017 (vgl. Anlage K19, Anlagenband), 14.11.2017 (vgl. Anlage K20, Anlagenband) und 28.12.2017 (vgl. Anlage K21, Anlagenband) forderte die Klägerin die Beklagte zur Nachreichung der Unterlagen insbesondere zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beklagten auf. Darauf antwortete die Beklagte mit E-Mail und den Schriftsätzen vom 05.11.2017 (vgl. Anlage B15, Bl. 701 d.A.), 06.11.2017 (vgl. Anlage B16, Bl. 702 .f d.A.), 19.12.2017 (vgl. Anlage B17, Bl. 704 .f d.A.) und 26.08.2019 (vgl. Anlage B18, B.l 706 d.A.). Die von der Klägerin mehrfach gestellte Frage, wie sich eine ergebene Finanzierungslücke in Höhe von 110.000,00 € schließen lasse, ließ die Beklagte unbeantwortet.

Mit Schriftsatz vom 05.06.2018 kündigte die Klägerin gegenüber der Beklagten den Darlehensvertrag. Sodann erklärte die Klägerin hilfsweise, für den Fal, dass die Kündigung vom 05.06.2018 unwirksam sei, erneut mit Schriftsätzen vom 11.01.2019 und 22.02.2019 die Kündigung des Darlehensvertrages. Die Beklagte wies die Kündigungen unverzüglich mangels Originalvollmachten zurück. Nunmehr nahm die Klägerin die Vollstreckung aus den notariellen Urkunden des Notars vom 20.07.2016 mit den Urkundennummern und auf (vgl. Anla- ge K1, B.l 8.f d.A.).

Dagegen erhob die Beklagte Vollstreckungsgegenklage zum Landgericht Mühlhausen.

Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen 6 O 439/18 geführt. Mit Urteil vom 10.05.2019 erklärte das Landgericht Mühlhausen die Vollstreckung für unzulässig und verurteilte die Klägerin unter Ziffer 3) des Tenors, die Beklagte von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.509,19 € freizustellen. Entsprechend der Ziffer 4) des Tenors musste die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits tragen (vgl. Anlage K1, Bl. 6 f. d.A.). Nach dem Urteil waren die Kündigungen unwirksam; zum einen wegen der unverzüglich wegen Vollmachtlosigkeit vorgenommenen Zurückweisungen derselben durch die Beklagte gem. § 174 Satz 1 BGB und zum anderen wegen der fehlenden Bedingungsfeindlichkeit (vgl. Anlage K1, Bl. 10 f. d.A.).

Infolge des oben genannten Urteils erging am 28.06.2019 ein Kostenfestsetzungsbeschluss, in dem die von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten ni Höhe von 25.398,42 €nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 27.05.2019 festgesetzt wurden (vgl. Bl. 2 d.A.; Anlage K2, BI. 13 f. d.A.).

Mit Schriftsatz vom 08.04.2019 kündigte die Klägerin erneut den Darlehensvertrag außerordentlich mit sofortiger Wirkung und stellte die Gesamtforderung ni Höhe von 250.321,66 € sofort fällig (vgl. B.l 3d.A.; Anlage K3, Bl. 17 f. d.A.). Die Höhe der fälig gestellten Rückzahlungsforderung berechnete sich wie folgt:

Saldo Darlehen - 250.000,00 €
Zinsen, Gebühren und Auslagen hieraus seit dem letzten Abschluss - 20,83 €
Bereitstellungsprovision für nicht ni Anspruch genommene Zusage KfW-Darlehen 01.06. bis 05.06.2018 - 270,83 €
Entgelt Kündigung - 30,00 €
  -250.321,66 €

Zuzüglich wurden Zinsen ab dem 05.06.2018 geltend gemacht, deren Höhe sich nach den gesetzlichen Vorschriften richtet (vgl. Anlage K3, Bl. 19 d.A.).

Die Beklagte reagierte auf die Kündigung nicht, insbesondere zahlte sie den geforderten Betrag
nicht an die Klägerin aus.

Sodann erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten mit Schriftsatz vom 24.06.2019 die Aufrechnung mit der Forderung der Beklagten aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss gegen die von der Klägerin geltend gemachte Darlehensrückzahlungsforderung (vgl. B.l 3 dA. ;. Anlage K4, Bl. 21 d.A.). Mti Schreiben vom 25.07.2019 rechnete die Klägerin mit der Forderung der Beklagten aus Zifer 3) des oben genannten Urteils gegen die von ihr geltend gemachte Darlehensrückzahlungsforderung auf (vgl. Bl. 3 d.A.; Anlage K5, Bl. 22 d.A.).

Die Beklagte reagierte darauf mit Schriftsatz vom 07.08.2019, in welchem sie der Klägerin mitteilte, dass sie ungeachtet der erklärten Aufrechnungen beabsichtigt, die Zwangsvollstreckung einzuleiten (vgl. B.l 3d.A.; Anlage K9, Bl. 26 f. d.A.).

Die Klägerin meint, sie habe den Darlehensvertrag wirksam mit Kündigung vom 08.04.2019 beendet. Sie behauptet, die Kündigung beruhe zum einen darauf, dass die Beklagte die erforderlichen und vertraglich vereinbarten Unterlagen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beklagten nicht übermittelt habe, trotz dass die Klägerin sie mit den oben genannten Schriftsätzen mehr- fach dazu aufgefordert habe (vgl. Bl. 605 ;f. Anlage K18 bis K21). In der mündlichen Verhandlung zum Verfahren 6 O 439/18 habe die Bevollmächtigte der Beklagten, Frau , sodann geäußert, keine weiteren Angaben zur Mittelverwertung der bereits empfangenen Darlehensmittel zu machen (vgl. Bl. 4, 173, 510, 605 d.A.; Zeugnis Rechtsanwalt). Zum anderen habe Frau erst in der oben genannten mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass das mit Sondermitteln geförderte Bauvorhaben aufgrund der Kündigung des Generalunternehmervertrages vom 19.03.2019 ruhe und nicht wie vorgestellt fertig gestellt werden könne (vgl. Bl. 4, 173, 510, 611 d.A.; Zeugnis Rechtsanwalt).

Die Klägerin beantragt,

1. Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 10.05.2019, Az.: 6 0 439/18, Zifer 3) des Tenors, wird für unzulässig erklärt.
2. Die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landge- richts Mühlhausen vom 28.06.2019, Az.: 6 O 439/18, wird für unzulässig erklärt.
3. Die Zwangsvollstreckung aus den ni den Anträgen zu 1) und zu 2) bezeichneten Titeln wird einstweilen ohne, hilfsweise mit Sicherheitsleistung eingestellt.

Die Beklagte beantragt,

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der mit der Klageschrift gestellte Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangs- vollstreckung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte meint, die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung sowie die Aufrechnungserklärungen seien unwirksam. Dies beruhe auf Folgendem: Die Klägerin könne gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss nicht wirksam aufrechnen, denn dies sei mi vorliegenden Fall unzulässig. Sodann sei die Aufrechnungserklärung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss zu unbestimmt. Auch handle die Klägerin rechtsmissbräuchlich, indem sie die zur Aufrechnung gebrachte Forderung in verschiedenen Verfahren wiederholt gegen unterschiedliche Forderungen aufrechne. Die Klägerin habe die Voraussetzungen der Kündigung nicht ausreichend dargelegt, insbesondere fehle ein Vortrag hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertrages gänzlich. Auch habe die Klägerin die hier streitgegenständliche Kündigung unter der Bedingung gestellt, dass die erste Kündigung unwirksam sei - dies widerspreche der Bedingungsfeindlichkeit von Kündigungen. Hinsichtlich der Aufrechnung gegen den in Ziffer 3) des Tenors des Urteils titulierten Anspruch meint die Beklagte, diese Einrede sei gem. § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert, da die Klägerin die Aufrechnung bereits mi Vorprozess hätte erklären können (vgl. zusammengefasst auf BI. 944 f. d.A.).

Mit den Beschlüssen vom 10.09.2019 sowie 14.01.2021 wurde die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 10.05.2019 und aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.06.2019, jeweils zum Aktenzeichen 6 O 439/18, gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 31.500,00 € bis zum Erlass eines Urteils in erster Instanz einstweilen eingestellt (vgl. Bl. 221, 559 d.A.).

Der Rechtsstreit wurde sodann mit Beschluss vom 22.10.2019 zunächst auf den Einzelrichter übertragen (vgl. B.l 230 d.A.), sodann aber mit Beschluss vom 15.11.2023 wieder auf die Kammer übernommen (vgl. BI. 1117 d.A.).

Nachdem ein Termin zur mündlichen Verhandlung mit Beweisaufnahme durch Vernehmung mehrerer Zeugen zu der Behauptung der Klägerin, der Frau habe in der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits 6 O 439/18 erklärt, dass weder Angaben zur Mittelverwertung der bereits empfangenen Darlehensmittel gemacht werden und dass das Bauvorhaben ruhe und nicht wie vorgesehen fertig gestellt werden konnte, bestimmt wurde, verzichtete die Klägerin mit Schriftsatz vom 15.01.2021 auf die Vernehmung der von ihr zu dieser Beweisfrage angebotenen Zeugen für die erste Instanz (vgl. Bl. 562 d.A.).

Die Akte des Verfahrens 6 O 439/18 war beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2024.

Zur Vervollständigung des Vorbringens der Parteien zum Sach- und Streitstand wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 16.01.2024 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.


A. Die Klage ist zunächst zulässig.
Zulässig ist die Klage, wenn die Klägerin insbesondere den statthaften Rechtsbehelf eingelegt hat, das angerufene Gericht zuständig und das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen ist. Diese Voraussetzungen sind gegeben.


Die Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO ist der statthafte Rechtsbehelf.


Denn die Vollstreckungsabwehrklage ist immer dann statthaft, wenn die Klägerin materiellrechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch geltend macht. Das ist hier der Fal, denn die Klägerin rechnet gegen die Forderungen der Beklagten aus dem Urteil des Landgerichts Mühlhau- sen vom 10.05.2019, Az.: 6 0 439/18, und aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 28.06.2019, Az.: 6 0 439/18, auf.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass gem. § 795 Satz 1ZPO auch bei den in § 794 ZPO erwähnten Schuldtiteln, wie dem Kostenfestsetzungsbeschluss nach § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, die Vollstreckungsabwehrklage erhoben werden kann.

Das angerufene Landgericht Mühlhausen ist als Prozessgericht des ersten Rechtszuges auch ausschließlich örtlich und sachlich gem. § 767 Abs. 1, 802 ZPO i.V.m. § 795 Satz 1 ZPO zuständig.

Das Rechtsschutzbedürfnis liegt ebenfalls vor.

Dieses ist immer dann zu bejahen, wenn die Zwangsvollstreckung droht oder schon begonnen hat. Die Zwangsvollstreckung droht ab Titelexistenz, denn ab diesem Zeitpunkt muss der Schuldner mit der Vollstreckung rechnen.

Da vorliegend die Titel ni dem Urteil und dem Kostenfestsetzungsbeschluss bereits erlassen sind, ergibt sich bereits daraus das Rechtsschutzbedürfnis. Bestätigt wird die drohende Zwangsvollstreckung aber auch durch den Schriftsatz der Beklagten vom 07.08.2019, in welchem diese der Klägerin mitteilt, dass auch die erklärte Aufrechnung sie nicht von der Vollstreckung abhalten werde.

B. Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Begründet ist die Vollstreckungsabwehrklage immer dann, wenn die Sachbefugnis vorliegt, der Klägerin eine materiellrechtliche Einwendung gegen den titulierten Anspruch zusteht und diese nicht nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht vollständig gegeben.

Es fehlt zumindest an einer wirksamen materiell-rechtlichen Einwendung der Klägerin gegen die titulierten Ansprüche der Beklagten.

Denn die von der Klägerin insoweit unstreitig mit Schriftsätzen vom 25.07.2019 und 24.06.2019 erklärten und hier als materiell-rechtliche Einwendung geltend gemachten Aufrechnungen sind nicht wirksam.

Gem. § 387 BGB setzt eine wirksame Aufrechnung neben der Aufrechnungserklärung nach § 388 BGB und dem Fehlen von Aufrechnungsverboten nach § 390 f. BGB wechselseitige und gleichartige Forderungen voraus. Mangels einer aufrechenbaren Forderung der Klägerin sind die Voraussetzungen der Aufrechnung hier nicht erfüllt.

Eine fällige Forderung der Klägerin gegen die Beklagte fehlt.

Insbesondere steht dieser kein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 250.321,66 €wegen außerordentlicher und fristloser Kündigung des zwischen den Parteien bestehenden Darlehensvertrages gem. § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zu.

Der Darlehensrückzahlungsanspruch aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB setzt neben dem hier unstreitigen Bestehen eines wirksamen Darlehensvertrages und der Inanspruchnahme des Darlehens durch die Beklagte auch die Fälligkeit der Darlehensrückzahlungsforderung voraus. An dieser Fälligkeit fehlt es jedoch. Denn da die Fälligkeit der Darlehensforderung unstreitig nicht durch eine Zeit bestimmt wurde, hängt diese gem. § 488 Abs. 3 Satz 1 BGB von einer wirksamen Kündigung ab. Eine solche ist hier aber nicht gegeben.

Eine wirksame Kündigung setzt eine Kündigungserklärung sowie das Bestehen eines Kündigungsrechts voraus.

Eine Kündigungserklärung ist unstreitig in dem Schriftsatz der Klägerin vom 08.04.2019 zu sehen.

Ein Kündigungsrecht ist hingegen nicht gegeben, denn die Voraussetzungen der vertraglichen Kündigungsrechte oder des § 490 Abs. 3 BGB i.V.m. § 314 BGB, der allein in Betracht kommen- den Möglichkeiten einer außerordentlichen und fristlosen Kündigung, liegen nicht vor.

Sowohl die vertraglichen Kündigungsrechte in Nr. 19 AGB, N.r 10 AGB für Kredite und Darlehen und N.r 1 AGB für Investitionskredite als auch das gesetzliche Kündigungsrecht aus § 490 Abs. 3BGB i.V.m. § 314 Abs. 1 BGB setzten einen wichtigen Grund, die Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Geschäftsverbindung sowie die Abmahnung oder Setzung einer Abhilfefrist - sofern diese nicht nach § 323 Abs. 2 N.r 1 oder 2 BGB entbehrlich ist - voraus.

I Ein wichtiger Grund ist hier in einer Vertragspflichtverletzung seitens der Beklagten gegeben. Gem. § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt ein wichtiger Grund vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann; nach §314 Abs. 2Satz 1 BGB kann der wichtige Grund auch in der Verletzung einer vertraglich vereinbarten Pflicht bestehen.

1. Eine solche Vertragspflichtverletzung ist hier in der fehlenden vollständigen Übermittlung und Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten zu sehen.

Denn gem. Nr. 15 Allgemeine Bedingungen für Kredite und Darlehen ist der Kreditnehmer - die Beklagte - während der Laufzeit des Kredites verpflichtet, der Bank - der Klägerin - auf Verlangen jederzeit alle gewünschten Auskünfte über seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu erteilen und alle gewünschten Unterlagen jeweils unterschrieben und mit Datum versehen zur Verfügung zu stellen. Trotz mehrfacher Aufforderung seitens der Klägerin mit Schriftsätzen vom 14.11.2017 und 28.12.2017 machte die Beklagte in ihren Mitteilungen vom 05.11.2017, 06.11.2017, 19.12.2017 und 26.08.2019 zumindest zu der sich ergebenen Finanzierungslücke keine Angaben.

Denn mit Schriftsatz vom 14.11.2017 forderte die Klägerin die Beklagte erstmals auf, mitzuteilen, wie die sich aus den Angaben der Beklagten ergebene Finanzierungslücke in Höhe von 110.000,00 €finanziert werden soll. Zur Beantwortung dieser Frage wurde die Beklagte mit Schriftsatz vom 28.12.2017 erneut gebeten. Die Beklagte ließ die Frage unbeantwortet.

2. Darüber hinaus ist eine weitere Vertragspflichtverletzung der Beklagten in der fehlenden Miteilunge über die Kündigung des Generalunternehmervertrages nicht gegeben.

Zwar ist die Beklagte als Endkreditnehmer verpflichtet, die Hausbank - die Klägerin - gem. Nr. 9 Allgemeine Bestimmungen für Investitionskredite über wesentliche Vorkommnisse, die den Förderzweck beeinflussen oder die ordnungsgemäße Bedienung des Kredites gefährden können, zu unterrichten. Selbst wenn es sich bei der Kündigung des Generalunternehmervertrages um ein solches wesentliches Vorkommnis handeln sollte, ist die Beklagte dieser Verpflichtung in jedem Fall nachgekommen. Denn unstreitig wurde die Klägerin mi Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2019 - und damit 10 Tage nach Kündigung des Generalunternehmervertrages - seitens der Beklagten über diese informiert. Dass die Beklagte darüber hinaus die genaueren Umstände der Kündigung nicht offenlegte, ist unbeachtlich. Denn N.r 9 Allgemeine Bestimmungen für Investitionskredite beinhaltet gerade weder eine Frist noch Vorschriften über den Umfang der Informationsverpflichtung.

Sollte dieser Auffassung nicht gefolgt und eine Vertragsverletzung wegen verspäteter und unzureichender Miteilung über die Kündigung des Generalunternehmervertrages angenommen werden, so wäre das Kündigungsrecht zumindest wegen fehlender Abmahnung oder Setzung einer Abhilfefrist unzulässig.

Entsprechend dem vertraglich vereinbarten Kündigungsrecht in Nr. 1 Abs. 1Allgemeine Bestimmungen für Investitionskredite beziehungsweise entsprechend § 314 Abs. 2 BGB ist eine Kündigung wegen Vertragspflichtverletzung erst nach erfolglosem Ablauf einer bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig, sofern nicht einer der in § 323 Abs. 2 BGB genannten Gründe vorliegt.

Unstreitig wurde der Beklagten seitens der Klägerin keine Abmahnung erteilt oder eine Abhilfefrist gesetzt, binnen derer die Beklagte der Klägerin weitere Informationen zur Kündigung des Generalunternehmervertrages hätte mitteilen können. Die Abmahnung oder Setzung einer Abhilfefrist war auch nicht gem. § 323 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 entbehrlich, denn aus dem Vortrag der Parteien ergibt sich nicht, dass die Beklagte die Erfüllung ernsthaft und endgültig verweigert oder eine vereinbarte Fixschuld nicht rechtzeitig erbracht habe.

3. Auch in der fehlenden Mitteilung über die Mittelverwendung ist eine weitere Vertragsverletzung der Beklagten nicht zu sehen.
Gem. N.r 1 Abs. 2 Allgemeine Bestimmungen für Investitionskredite ist die Beklagte verpflichtet, der Hausbank - der Klägerin - unaufgefordert unmittelbar nach Abschluss der Investitionen die Verwendung der Kreditmittel und die Erfüllung etwaiger Auflagen nachzuweisen. Dass die Beklagte dieser Pflicht nicht nachkam beziehungsweise dass die Beklagte die zukünftige Pflichterfüllung durch die Bevollmächtigte der Beklagten, Frau in der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2019 verweigerte, konnte die Klägerin nicht beweisen. Die Klägerin ist insofern beweisfällig geblieben. Als diejenige, die sich auf eine für sie günstige Behauptung beruft, trägt sie nach den allgemeinen Regeln die Beweislast. Auf die Beweisführung durch Vernehmung des Zeugen in erster Instanz verzichtete die Klägerin mit Schriftsatz vom 15.01.2021.

II. Die Kündigung wegen der in der fehlenden vollständigen Übermittlung und Offenlegung wirtschaftlicher Verhältnisse zu sehenden Vertragsverletzung ist aber wegen Verstreichenlassen der angemessenen Kündigungsfrist ausgeschlossen.

Gem. § 314 Abs. 3BGB kann der Berechtigte nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er von dem Kündigungsrecht Kenntnis erlangt hat. Wann die Frist angemessen ist, bestimmt sich im Einzelfall nach der Art des Vertrages (vgl. Gaier, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2022, § 314 Rn. 44). In einer Entscheidung hat der Bundesgerichtshof eine Frist von drei Monaten ab Kenntnis des Kündigungsgrundes gebilligt (vgl. BGH, Urteil vom 23.04.2010 - LwZR 20/09), davor sah der Bundesgerichtshof eine Frist von vier Monaten „noch als angemessen mi Sinne von § 314 Abs. 3 BGB" an (vgl. BGH, Urteil vom 21.03.2007 - XI ZR 36/05). Nach einer Entscheidung des OLG München ist eine Kündigung deshalb bereits nach dem Ablauf von drei Monaten nicht mehr angemessen (vgl. OLG München, Urteil vom 19.08.2021 - 32 U 3372/17).

Die Frage, ob die Frist bei einem Zuwarten von drei oder vier Monaten nicht mehr als angemessen angesehen werden kann, kann dahinstehen.

Denn hier erfolgte die Kündigung erst mit Kündigungsschreiben vom 08.04.2019 und somit weit mehr als ein Jahr nach Erlangung der Kenntnis des Kündigungsgrundes. Somit ist eine angemessene Frist eindeutig so weit überschritten, dass die Vertragsverletzung oder ein darauf beruhender Verlust des Vertrauens in die Beklagte im April 2019 nicht mehr in Betracht kommt. Denn spätestens mit dem letzten klägerischen Schriftsatz vom 28.12.2017 hatte die Klägerin Kenntnis von der fehlenden Beantwortung der Frage zur Finanzierungslücke und damit von der fehlenden beziehungsweise unzureichenden Übermittlung der erforderlichen Unterlagen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beklagten und somit Kenntnis von dem ihr zustehenden Kündigungsrecht.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1Satz 1ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1, 2 ZPO.

Verfahrensführender Anwalt

David Stader
Fachanwalt für Bankrecht & Kapitalmarktrecht

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