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Kreditrecht
Vorfälligkeitsentschädigung
Bei der vorzeitigen Ablösung eines Darlehens fällt regelmäßig eine Vorfälligkeitsentschädigung an. Die Bank lässt sich damit den Schaden ersetzen, der durch die Nichterfüllung der vereinbarten Zinsbindung entstanden ist. Der Anfall und die Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung führt oftmals zum Streit zwischen Bank und Kunde.
Streitthema Vorfälligkeitsentschädigung
Bei der vorzeitigen Ablösung eines Darlehens fällt regelmäßig eine Vorfälligkeitsentschädigung an. Die Bank lässt sich damit den Schaden ersetzen, der durch die Nichterfüllung der vereinbarten Zinsbindung entstanden ist. Der Anfall und die Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung führt oftmals zum Streit zwischen Bank und Kunde.
Berechnung und Umgehung der Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Kreditvertragsbeendigung
In Deutschland ist es üblich, dass die Zinsen für einen gewissen Zeitraum festgeschrieben werden. Der Kunde bekommt durch die Zinsfestschreibung eine Planungssicherheit. Er weiß für die Dauer der Festzinsbindung genau, wie hoch seine monatliche Rate ist. Das in Deutschland übliche Festzinsmodell schützt bei Immobilienkrediten vor einer Kreditblase. Diese Sicherheit geht aber zu Lasten der Flexibilität. Möchte ein Kunde sein Darlehen früher zurückzahlen, kann die Bank „den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden“ ersetzt verlangen. Hierbei handelt es sich um die sog. "Vorfälligkeitsentschädigung".
Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung
Will der Kreditnehmer seinen Vertrag vor dem Ablauf der Zinsbindung kündigen, darf die Bank nach dem Gesetz eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Die häufigsten Fälle einer vorzeitigen Kreditkündigung sind der Verkauf der finanzierten Immobilie oder eine Scheidung.
Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung erfolgt nach von der Rechtsprechung entwickelten Berechnungsmethoden, die von der Bank einzuhalten sind. Sondertilgungsrechte müssen berücksichtigt werden. Die Berechnung der Bank kann finanzmathematisch überprüft und gerichtlich angefochten werden.
Die voraussichtliche Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung können hier berechnet werden: www.vorfaelligkeitsentschaedigung.net/vorfaelligkeitsentschaedigungsrechner/
Besonderheit: Vertragskombinationen mit Lebensversicherungen
Eine Vorfälligkeitsentschädigung ist ausgeschlossen, wenn das Darlehen aus einer mit dem Vertrag abgeschlossenen Lebensversicherung getilgt werden soll.
Keine Vorfälligkeitsentschädigung bei Kreditkündigung der Bank
Wird der Kredit durch die Bank gekündigt, ist die Bank nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht berechtigt, eine Vorfälligkeitsentschädigung zu verlangen. Hat die Bank die Vorfälligkeitsentschädigung für einen notleidenden Kredit bereits erhalten, muss sie diese wieder an den Verbraucher erstatten.
BGH: Vorfälligkeit bei Verzugskündigung ausgeschlossen
"Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts enthält die Vorschrift des § 497 Abs. 1 BGB aF eine spezielle Regelung zur Schadensberechnung bei notleidenden Krediten, die vom Darlehensgeber infolge Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers vorzeitig gekündigt worden sind. Sie schließt die Geltendmachung der von der Beklagten als Ersatz ihres Erfüllungsinteresses verlangten Vorfälligkeitsentschädigung aus."
BGH, Urt. v. 19. 1. 2016 – XI ZR 103/15
Aus aktuellem Anlass zur Nichtabnahmeentschädigung: Fragwürdige Praxis der DSL-Bank
Aktuell häufen sich Fälle von Verbrauchern, denen vor der Auszahlung eines Forward-Darlehens der DSL-Bank der Kredit wegen einer angeblichen Vermögensverschlechterung des Verbrauchers gekündigt und eine hohe Nichtabnahmeentschädigung verlangt wurde. Obgleich die Kündigungen oftmals fragwürdig sind geht das Landgericht Aachen in einer aktuellen Entscheidung zutreffend davon aus, dass die Bank in einem solchen Fall keinen Anspruch auf eine Nichtabnahmeentschädigung hat.
LG Aachen zur Praxis der DSL-Bank
"Im Übrigen stünde der Klägerin selbst im Falle der (unterstellten) Wirksamkeit der Kündigung, eine Nichtabnahmeentschädigung nicht zu.
Dabei kommt es in diesem Zusammenhang auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 19. Januar 2016 - XI ZR 103/15 -, BGHZ 208, 278-290, Rn. 30) entnommen werden kann, dass ein Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung im Anwendungsbereich des § 497 Abs. 1 und des § 490 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist, weil derartige Ansprüche nur in Betracht kommen, wenn der Darlehensnehmer den Darlehensvertrag vorzeitig kündigt, nicht an.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass § 490 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz ausdrücklich vorsieht, weshalb durchaus im Umkehrschluss vertreten werden kann, dass im Falle des § 490 Abs. 1 BGB eben gerade kein Schadensersatzanspruch besteht.
In der Instanzrechtsprechung ist eine Nichtabnahmeentschädigung bislang größtenteils bejaht worden für den Fall, dass der Darlehensgeber wegen eines vom Darlehensnehmer schuldhaft gesetzten wichtigen Kündigungsgrundes, kündigt. Der Darlehensnehmer sei dann zum Ersatz des Kündigungs- oder Auflösungsschadens verpflichtet. Insoweit handele es sich nach der ganz herrschenden Meinung um einen (echten) Schadensersatzanspruch."
LG Aachen, Urt. v. 19.10.2017 - 1 O 480/16
Verträge ab 21.03.2016: Keine Vorfälligkeitsentschädigung bei unzureichenden Informationen im Vertrag
Der Anspruch der Bank auf eine Vorfälligkeitsentschädigung ist bei Verträgen, die nach dem 20.03.2016 geschlossen wurden, immer dann ausgeschlossen, wenn der Darlehensnehmer von seinem Recht auf vorzeitige Rückzahlung des Darlehens bei vorliegen eines berechtigten Interesses (bspw. Hausverkauf) Gebrauch macht und im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind.
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat einen solchen Fehler in den Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung der Commerzbank erst kürzlich zum Anlass genommen, einem Verbraucher die Erstattung der vollen Vorfälligkeitsentschädigung zuzusprechen.
Commerzbank-Urteil des OLG Frankfurt
"Der Anspruch ist jedoch gem. § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen, wenn im Vertrag u.a. die Angaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind. Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Die in den Allgemeinen Darlehensbedingungen der Beklagten enthaltenen Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung, die in die zwischen den Parteien geschlossenen Darlehensverträge einbezogen worden sind, genügen nicht den gesetzlichen Anforderungen."
OLG Frankfurt, Urt. v. 01.07.2020 - 17 U 810/19
Besonderheiten bei Forward-Verlängerungen
Eine weitere Umgehungsmöglichkeit besteht bei einigen Forward-Verlängerungen. Dies sind Kreditverlängerungen, die Jahre vor dem eigentlichen Zinsbindungsende abgeschlossen wurden, um sich früh zeitig vermeintlich niedrige Zinsen zu sichern. Diese Forward-Verlängerungen können 10 Jahre nach dem Abschluss der Vereinbarung mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten auch dann gekündigt werden, wenn die verlängerte Zinsbindung noch nicht abgelaufen ist.
Dieses Kündigungsrecht ist auch bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung zu berücksichtigen. Oftmals wird dies von Banken nicht berücksichtigt und der Zeitraum bis zum Zinsbindungsende für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung angesetzt. Dies macht je nachdem wie weit im Voraus die Verlängerung abgeschlossen wurde ganz erhebliche Mehrbeträge aus.
OLG München: 10-Jahres-Kündigungsfrist beginnt mit Abschluss der Prolongation, nicht mit deren Inkrafttreten
"Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass der 10-Jahres-Zeitraum des § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB auch dann mit der Verlängerungsvereinbarung zu laufen beginnt, wenn es sich um eine vorzeitige Verlängerungsvereinbarung handelt. Sachlich streitentscheidend ist dabei einzig und allein die Auslegung von § 489 Abs. 1, Nr. 3 Hs. 2 BGB. Nr. 8 der AGB der Beklagten verweisen insoweit selbst auf diese Vorschrift (Anlage K 1); im übrigen könnte das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers gem. § 489 IV 1 BGB nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden."
OLG München, Urt. v. 24.04.2017 – 19 U 4269/16
Umgehungsmöglichkeit Widerrufsjoker
Die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung kann bei Verträgen, die ab dem 30.07.2010 abgeschlossen wurden umgangen werden, wenn die dem Vertrag beigefügte Widerrufsbelehrung fehlerhaft war und der Vertrag widerrufen wird. Viele Verträge beinhalten Klauseln, die es Verbrauchern ermöglicht, den Darlehensvertrag auch noch Jahre nachdem Abschluss zu widerrufen.
Bei einer Prolongation kommt es insoweit auf den Ursprungsvertrag an. Besonders Fehleranfällig sind Verträge aus den Jahren 2010 und 2011.
Zusammenfassung
Wann darf die Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen?
Ein Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung besteht, wenn der Kunde das Darlehen auf seinen Wunsch vor dem Ablauf der Zinsbindung zurückzahlen will (bspw. beim Hausverkauf). Wenn die Bank das Darlehen wegen eines Zahlungsverzugs des Kunden kündigt hat sie keinen Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung.
Wie wird die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet?
Die Berechnung erfolgt nach vom Bundesgerichtshof festgelegten Parametern. Vereinfacht dargestellt wird danach geschaut wie viel Geld die Bank bekommt, wenn sie den Kredit des Kunden neu anlegt. Die Differenz aus dem Zins, den sie vom Kunden bis zum Vertragsende bekommen hätte und dem Wiederanlagezins bildet im Wesentlichen die Vorfälligkeitsentschädigung. Zu berücksichtigen sind aber Sondertilgungs-, Tilgungsanpassungs- und Kündigungsrechte des Kunden. Abzuziehen sind zudem ersparte Risiko- und Verwaltungskosten der Bank.
Kann die Vorfälligkeitsentschädigung umgangen werden?
Eine Umgehung ist möglich, wenn der Vertrag widerrufen werden kann. Bei Verträgen ab dem 21.03.2016 kann eine Umgehung auch möglich sein, wenn die Angaben im Vertrag zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung fehlerhaft sind.
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